Bremer Ingenieur wirbt für einen neuen Füllstoff, der in Häusern die Wärme besser übertragen soll
Blut für die Heizung
Es nennt sich Heizungsblut, und es ist erst einmal ein Geheimnis.
Woraus dieser neue Füllstoff für Heizungen genau besteht, verraten die Erfinder nicht.
Aber doch so viel: Rote Lebensmittelfarbe ist drin, zur Hälfte aufbereitetes Wasser, außerdem Glykol – auch bekannt als Frostschutz –, verschiedene Zusatzstoffe und ein Korrosionsschutz- mittel. Ein Cocktail mit einem großen Versprechen: Heizungsblut, so sagt der Bremer Diplomingenieur Günter Kiener, übertrage die Wärme aus dem Kessel deutlich besser in die Heizkörper und in die Luft als reines Wasser. Bei Altbauten seien durch das Patent Einsparungen von bis zu 30 Prozent der Heizkosten möglich. An zwei identischen Häusern in Oslebshausen musste das Heizungsblut nun binnen zwei Heizperioden beweisen, dass in ihm steckt, was die Entwickler versprechen.
„Ich wollte es beim ersten Kontakt damit auch nicht glauben. Viele,
die über Energieeinsparungsmöglichkeiten reden, reiten ja diese Welle“, sagt der ehemalige Bauleiter von Großprojekten wie dem Baufeld A am Potsdamer Platz in Berlin. Günter Kiener, inzwischen eigentlich in Rente, recherchierte und traf vor dreieinhalb Jahren
auf den ersten Feldversuch der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara. Als Kieners Partner das Heizungsblut in Aachen
zum Patent angemeldet hätten, sei es sofort Patent des Jahres geworden, erzählt der Ingenieur und rattert in einem Atemzug auch noch die Industrienorm 2035 herunter, die der Heizungsfüllstoff erfüllt.
Trotzdem will bisher laut Kiener kein Kesselhersteller seine Garantie aufrecht erhalten, wenn man Heizungsblut in die Anlage einfüllt – ein großes Manko beim Abwägen der Kaufentscheidung für den Füllstoff. Der kostet im Vergleich zu entmineralisierten Wasser ca. 12 Euro pro Liter mehr.
Netto. Kiener: „Rechtlich kommen die Heizungsbauer meines Erachtens mit ihrer Haltung nicht durch, weil wir alle
Vorgaben der Industrienorm erfüllen und unser Hochleistungswärmeträger auch noch einen besseren Korrosionsschutz und weniger Verschlammung neben den besseren Wärmeträgereigenschaften bietet.“
Man sei aber in Gesprächen mit Buderus, Brötje und Co.
Außentermin vor zwei Heimgebäuden des Sozialwerks der Freien Christengemeinden in Oslebshausen.
Die Häuser sind identisch und nach dem Kauf vor wenigen Jahren mit modernen Brennwertkesseln, neuer Dachdämmung und neuen Fenstern ausgestattet worden. Diplomingenieur Focke Hausmann ist als Chef des Gebäudemanagements vom Sozialwerk beim Beginn des Feldversuchs mit dem Heizungsblut vor zweieinhalb Jahren schon mit am Start. Er weiß da bereits, dass solche Gebäude mit grundsätzlich gutem Energieverbrauch es Günter Kiener schwer machen werden, ihm und den anderen Entscheidern das Heizungsblut auch für die anderen 48 Gebäude des Sozialwerks schmackhaft zu machen. Immerhin kostet der Einbau in eines der beiden Testhäuser ungefähr 2.000 Euro – trotz eines eingeräumten Vorzugspreises.
Feldversuch in Oslebshausen
Ein Heizungsbauer und einige Professoren schauen mit auf den Feldversuch. In die Keller darf Kiener nicht, aber er kann den Ölverbrauch mittels Webcam überprüfen. Schnell zeigt sich, dass der Ölzähler im Haus mit Wasser in den Rohren deutlich mehr in Bewegung ist. In einem relativ milden Winter wie im Jahr 2015 liegt die Differenz am Ende bei 1062 Litern Heizölverbrauch. Die Heizungsanlage mit dem Heizungsblut soll 31,5 Prozent weniger verbraucht haben – bei komplett identischen Heizungsanlagen und einer gleichen Nutzerstruktur in den Häusern. 2016 ist der Winter härter gewesen, die neu befüllte Anlage sparte im Vergleich zur herkömmlichen Heizung noch 27 Prozent ein. Alle Testbeteiligten haben diese Ergebnisse unterzeichnet.
Pro Jahr seien über 2,6 Tonnen Kohlendioxid (CO2) weniger in die Atmosphäre gepustet worden, hat Günter Kiener berechnet: „Arbeitet Deutschland damit im großen Stil, könnten wir die selbst gesteckten Klimaziele spielend erreichen.“ Focke Hausmann lässt sich die rote Flüssigkeit auch in sein neues Privathaus einbauen: „Man braucht zweieinhalb Jahre für die Amortisierung. Das ist gegenüber dem Einspareffekt doch nichts.“ So um die 1,2 Millionen Liter Heizungsblut habe LMP bundesweit bereits in Anlagen eingefüllt, überschlägt Kiener und träumt von den ganz großen Aufträgen von Wohnungsbauunternehmen.
Eine ganz kleine Menge Heizungsblut hat Herr Vegesacker auch mit ins Esszimmer des Sozialwerks gebracht. Eine Mikrowelle muss her, um der roten Flüssigkeit noch ein paar ihrer Geheimnisse zu entlocken: Zwei Glaskolben werden 800 Watt Energie für zweieinhalb Minuten ausgesetzt. Das Fleischthermometer zeigt beim Wasser danach keine 80 Grad. Beim Heizungsblut überschlägt sich das Thermometer und stoppt erst knapp unter 130 Grad, dem Siedepunkt der Flüssigkeit. Ingenieur Kiener: „Der Hochleistungswärme- Träger ist von solch einer molekularen Beschaffenheit, dass er schneller als Wasser Wärme aufnimmt und auch wieder abgibt.“
Die Abstrahlwärme sei dabei deutlich höher, ein Raum schneller warm und die Regeltechnik steuere den Brenner rascher wieder herunter. Kiener: „Das gibt besonders bei Fußbodenheizungen einen sehr guten Effekt.“
Und das Sozialwerk? Wird es auch weitere Heizungsanlagen in seinen Gebäuden mit dem roten Wundermittel befüllen? Focke Horstmann lächelt: „Mit der Frage konfrontiert mich Herr Kiener natürlich auch regelmäßig. Tatsächlich liegt die Entscheidung darüber natürlich bei unserer Geschäftsführung. Und da reden wir bei einem unserer großen Heime schnell von 200 000 Euro an Kosten. Das will gut überlegt sein.“ Und was passiert eigentlich, wenn die Heizung leckt und das teure Wundermittel irgendwo verliert? Kiener nickt: „Das ist ein Grund, warum sich Vattenfall mit seinem total maroden Fernwärmenetz in Hamburg nie an das Thema Heizungsblut herantrauen kann. Die pumpen dort täglich riesige Mengen Wasser nach in den Kreislauf.“ Für das Heizungsblut gebe es aber spezielle Zusätze, mit denen man eine normale Hausheizung dicht bekommen könne.
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Weser zeitung